Gerade in den sozialen Netzwerken ist es ja so, zumindest auf mich trifft das zu, dass man sich persönlich meistens gar nicht kennt und man daher auf inhaltlich beschränkte „Bios“ oder die geistigen Ergüsse der oder des anderen angewiesen ist, um sich ein genaueres Bild von der Person zu verschaffen, mit der man es da zu tun hat.
Und wie das eben bei „indirekter“ Kommunikation ganz gerne mal vorkommt (häufiger wohl als bei direkter), öffnet man in seinem Kopf eine kleine Schublade im großen Regal der Meinungen und Vorurteile und steckt die andere Person genau in die Schublade, die einem selbst am passendsten erscheint. Häufig schneller als es vielleicht angebracht wäre. Zack. Schublade auf, Mensch rein, Schublade zu. Ich nehme mich davon auf keinen Fall aus. Häufig ist das sicher auch gar nicht anders möglich. Und natürlich kommt es immer wieder vor, dass man den einen oder die andere vorschnell in vollkommen falsche Schubladen steckt oder für bestimmte Menschen gänzlich neue Kategorien oder Schubladen eröffnen müsste. Ganz einfach da es eben auf der Welt neben Schwarz und Weiß auch noch unzählige Schattierungen gibt.
Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich im Leben gesagt habe „Mensch, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ist ja cool/super/blöd/schade, den hatte ich in einer ganz anderen internen Schublade abgelegt.“ Meistens sind diese Erkenntnisse durchaus positiv, selten ernüchternd und manchmal ganz einfach nur witzig oder überraschend, ohne tiefenpsychologische Auswirkungen. Auch wenn ich mir einrede, über recht gute Menschenkenntnis zu verfügen und sich meine „Vorurteile“ häufig als richtig bestätigen, mag ich es sehr, hier positiv überrascht und eines besseren belehrt zu werden.
Ab und zu finde ich es aber auch ganz interessant zu sehen, mit welchen Augen mich Menschen sehen, die glauben mich zu kennen. Was sie über mich und meine Vorlieben denken, in welche Schubladen sie mich stecken. Auch das zeigt zumindest mir persönlich mehr über mich und mein Verhältnis zu anderen, als ich mir manchmal eingestehen möchte. Das kann ärgerlich sein, wenn ich mich völlig falsch eingeordnet fühle, es kann schmeicheln, wenn Menschen Dinge in mir sehen, die ich mir selber gar nicht zugetraut hätte und es kann ganz einfach nur witzig sein oder mich zum Kopfschütteln bringen. Nämlich dann, wenn Leute ein bestimmtes Bild von mir haben und denken, aus diesem Bild ableiten zu können, was ich denn für einen Kleidungs-, Musik- oder sonstigen Geschmack haben müsste. Sei es der Gothic-Nachbar, der der Meinung ist, wir beide tickten musikalisch ganz ähnlich, weil wir Musik mit elektrischen Gitarren mögen. Oder Menschen beispielsweise auf Twitter, die es gar nicht fassen können, dass ich Revolverheld oder Adele mag, obwohl doch in meiner (extrem aussagekräftigen) Bio mal irgendetwas von Punk oder Hardcore stand.
Naja, und genau aus diesem Grund gibt es sicherlich einige Überraschungen, die ich in einer Spotify-Playlist zusammengestellt habe. Eine ganze, lange Reihe von Liedern, die ich aus den unterschiedlichsten Gründen sehr gerne mag, die aber von vielen sicherlich (zumindest in Teilen) als „List of shame“ oder ähnliches bezeichnet werden würde. Wie dem auch sei, diese Liste könnte bestimmt noch viel, viel länger sein und stellt auch keine „Twitter-Beichte“ oder irgendein „Geständnis meines schlechten Geschmacks“ dar. Ich mag diese Lieder, drehe immer wieder lauter, wenn sie im Radio laufen, singe mit, tanze zu ihnen durch die Küche oder sitzend auf meinem Schreibtischstuhl und sie berühren und bewegen mich zu großen Teilen mehr als vieles, was sonst so als „gesellschaftlich akzeptabel“ oder „toll, super, geil, cool, fett, abgefahren, einmalig, großartig, …“ angesehen wird.
Hier gibt es die Spotify-Playlist zum Anhören, Lästern, Lachen, Weinen, Mögen, „Ach ja, das …“ oder „Ernsthaft?!“-Rufen oder einfach nur zum Erweitern des musikalischen Spektrums. Und für die, die nicht über einen Spotify-Zugang verfügen oder lieber das entsprechende Video zum Lied genießen, folgt hier die Liste der Youtube-Videos in „no particular oder“. Ich wünsche viel Spaß.
Eros Ramazotti höre ich ja mittlerweile gar nicht mehr, aber ich hab ihn früher sehr gemocht und war 1990 sogar auf einem Konzert.
Ähnliches gilt für Grönemeyer, dem ich bis zur Luxus ganz gerne meine Ohren geliehen habe. Seine neuen Sachen finde ich schlimm, doch die älteren mag ich teilweise immer noch, würde sie aber nicht mehr bewusst hören, sondern nur wenn es nebenbei irgendwo läuft.
Insgesamt ein schöner Artikel mit guten Gedanken, den ich gerne selber aufgegriffen habe.
Tim, ich war Ende der 80er/Anfang der 90er ein großer italo-Pop-Fan, inkl. Verspottung in der Schule, etc. Daher rührt auch die Vorliebe für den Eros-Song. Ich glaube, das ist auch beinahe das einzige seiner Lieder, das ich mir ab und zu anhören kann. Grönemeyer: Ich war nie ein wirklicher Fan, höre einige (ältere Lieder) ab und zu ganz gerne, aber das war’s auch. „Musik nur wenn sie laut ist“ mag ich unwahrscheinlich gerne. Schwer zu erklären, ich finde, da passt alles: Text, Beat, „Drive“ … ich mag’s sehr gerne. Auf der Spotify-Playlist ist allerdings leider nur ein Cover, da man den „echten“ Herbert dort kaum findet. Danke für Kommentar & Lob.